Adler
 
5 - Die Leiche auf dem Förderband
 

FörderbandMagdalena versprach Ralph am Tag der Hochzeit ewige Treue. Er glaubte fest daran. Mehrere Monate vergingen, da sah er sie zufällig mit Pascal auf der Strasse.

Ralph war frÜher als geplant von einer Geschäftsreise aus dem Ausland zurÜckgekehrt. Er wollte schnell einen Happen zu Mittag essen, bevor er in die nächste Sitzung eilte. Da sah er doch tatsächlich wie seine Frau mit seinem besten Freund Pascal, im nahe gelegenen Park verschwand. Sein Herz hämmerte vor Aufregung! Er versteckte sich hinter einem Baum, und schaute zu, wie die beiden Turteltäubchen hinter einer dichten Hecke verschwanden.

Ausser seiner geballten Faust, die er in seiner Hosentasche verbarg, war keine Regung an ihm festzustellen. AufgewÜhlt verliess er den Park und irrte dann ziellos durch die Strassen. Er musste seine Gedanken ordnen, bevor er den Weg zu seinem Arbeitplatz antrat, wo seine Kunden in der Anwaltskanzlei bereits auf ihn warteten.

Stunden später fuhr er gespannt nach Hause. Mit Ausnahme seiner laut miauenden Tigerkatze schien niemand da zu sein. Mausi, wie er das Tierchen liebevoll nannte, schlich schmeichelnd um seine Beine, dabei schnurrte sie geräuschvoll. Ralph bÜckte sich und nahm sie sanft hoch. Mit ihr zusammen begab er sich in die unaufgeräumte KÜche. „Dieses faule MiststÜck! Nun hat sie es endgÜltig auf die Spitzte getrieben! Das wird Magdalena mir bÜssen!“ presste der wÜtende Ehegatte hervor.

Kaum fertig gedacht, ertönte die TÜrglocke. Anscheinend hatte Madame wieder mal den SchlÜssel vergessen! Doch das liess ihn kalt, er dachte nicht im Traum daran, ihr die EingangstÜre zu öffnen! Ralph nahm gerade genÜsslich einen grossen Schluck aus seiner Bierdose, als er ein wildes Klopfen an der WohnungstÜre vernahm. „Na dann ...“, murmelte er und raffte sich auf, um die Übeltäterin einzulassen. Kaum hatte er den SchlÜssel gedreht, betrat Magdalena laut lamentierend die geräumige Neubauwohnung in der zweiten Etage. Ralph schrie auf vor Schmerzen, denn die TÜre hatte ihn am Kopf getroffen. Er hörte aufgebracht ihre Tirade und betastete vorsichtig die anschwellende Beule an seiner Stirne!

Mit undurchsichtiger Miene nahm Ralph die schweren TÜten auf, die sie ihm achtlos vor die FÜsse geworfen hatte und trug diese in die KÜche. Versöhnlich hauchte ihm Magdalena einen Kuss auf die schmerzende Stirne. Dann drÜckte sie ihm mitfÜhlend einen Beutel mit Eis darauf, dabei erforschte Ralph neugierig ihre Augen. So ein Biest, keinerlei Reue war darin zu erkennen, das wÜrde er ihr heimzahlen! Später, während dem spärlich ausgefallenen Abendessen, sassen sie einander wortkarg gegenÜber.

Nach dem Abwasch streckte Magdalena mÜde ihre schlanken Beine auf dem Sofa aus und lenkte das Gespräch geschickt auf ihr Lieblingsthema! „Schatz, ich habe heute mit meinem Chef gesprochen und er legte mir nochmals ans Herz, endlich eine Lebensversicherung abzuschliessen!“ NatÜrlich hoffte sie, dass ihn dieses Anliegen auch heute wieder verärgern wÜrde, damit sie dann gekränkt ins Schlafzimmer verschwinden konnte, um da wahrscheinlich ungestört mit ihrem Liebhaber zu telefonieren. Ralph, sonst ein totaler Gegner solcher Vorsorgeversicherungen, willigte heute ohne Widerspruch ein und versprach sogar, sich darum zu kÜmmern. Irritiert betrachtete Magdalena ihren Mann, bevor sie sich in die KÜche begab, um Kaffee zu kochen. Sie wusste, nun hatte sie ihn so weit!

Bereits eine Woche später unterschrieben die Beiden eine Police Über hunderttausend Franken, in der sie sich gegenseitig begÜnstigten.

In den folgenden Tagen unternahm Ralph alles, um Magdalena wieder fÜr sich zu gewinnen. Sie dagegen zeigte ihm die kalte Schulter und verbrachte immer mehr Zeit ausser Haus, mit der lausigen Ausrede, sie gehe zu ihrer besten Freundin Katja. Schlussendlich musste er sich Zähne knirschend zugestehen, sein Freund Pascal war ihr wichtiger als er!

In einer mondhellen Nacht erwachte Ralph wegen einem seltsamen Geräusch. Aus dem Schlafzimmerfenster spähend, boebachtete er wÜtend, wie die Beiden gerade in seiner Garage verschwanden. Dass sie es auch noch in seinem Wagen trieben, ging Ralph nun doch zu weit! Er trat ganz nahe an die TÜre heran, um zu horchen, was da drinnen passierte. Es wunderte ihn doch sehr, als er hörte, wie Magdalena zu Pascal sagte: “Komm, wir manipulieren die Bremsleitungen von Ralph's Wagen, dann sind wir diesen elenden Kerl fÜr immer los und kassieren auch noch die Lebensversicherung!“

So war das also gemeint! Na warte, meine Liebe, dich werde ich mit deinen eigenen Waffen schlagen, dachte Ralph und ein gefährliches Leuchten flackerte in seinen stahlblauen Augen auf.

Gegen Mitternacht passte Ralph seinem Freund Pascal auf dem Heimweg ab, um ihn zur Rede zu stellen. Der Ertappte fiel aus allen Wolken und schwor bei allen Heiligen, er könne nichts dafÜr, Magdalena habe ihn verfÜhrt, als sie bei ihm Trost suchte. „Du wolltest dich ja unbedingt von ihr scheiden lassen. Sie litt deswegen fÜrchterlich!“ schrie Pascal Ralph ungehalten an. „Das ist eine LÜge!" wehrte sich Ralph und schluckte schwer. "Magdalena will nichts mehr von mir wissen!“ rief er laut in die Nacht hinein!

Einen Moment lang herrschte betretenes Schweigen. Um Klarheit in diese Geschichte zu bringen, begaben sie sich in die nächste Kneipe. Noch an diesem Abend versöhnten sie sich bei einem kÜhlen Bier und heckten einen eigenen Plan aus.

Zwei Tage später rief Katja auf Ralph’s Handy an, weil Magdalena nicht wie abgemacht bei ihr erschienen war. Ralph verdeutlichte ihr: „Aber Magdalena muss bei dir sein, Katja! Sie verliess gestern Abend das Haus mit der BegrÜndung, bei dir zu einer Schmuckparty eingeladen zu sein und weil es sicher spät werden wÜrde, wollte sie auch bei dir Übernachten! Also erzähl mir bitte nicht, sie sei nicht bei dir!“ Katja fiel aus allen Wolken und erklärte ihm geknickt: „Ich schwöre dir, ich weiss nichts von einer Schmuckparty, auch nicht, dass Magdalena bei mir Übernachten wollte! Sie hat mir lediglich vor einer Woche am Telefon versprochen, sie komme heute Morgen gegen zehn Uhr zu mir nach Hause, um dann gemeinsam ein Nagelstudio aufzusuchen.“

Die Beiden unterhielten sich noch eine Weile, dann hängte Katja voller Sorge ein. Sie riss den Regenmantel vom Haken und verliess eilig ihre Wohnung. Wo um alles in der Welt sollte sie anfangen zu suchen? Die Polizei wurde eingeschaltet. Die Nachbarn wurden befragt; die Umgebung und Parks wurden von SpÜrhunden abgesucht. Ohne Erfolg. Von Magdalena fehlte jede Spur! Wo mochte sie wohl sein? Ein Gewaltverbrechen konnte nun nicht mehr ausgeschlossen werden.

Doch dann brachte SchichtfÜhrer Franz Hohlweger endlich Licht ins Dunkel. Morgens gegen drei Uhr beobachtete Franz, wie stets auf seiner Spätschicht, von seiner Überheizten, stickigen Holzbaracke aus, wie trockene Schlacken und Autoreifen in den glÜhend heissen Zementofen befördert wurden. Eine eintönige Arbeit, die er schon seit Jahren mindestens einmal die Woche verrichtete!

Gelangweilt blätterte er nebenbei in einem Ferienprospekt. Er betrachtete gerade sehnsÜchtig ein Bild von einem breiten Sandstrand auf Mallorca. Aus den Augenwinkeln beobachtete er weiterhin das Förderband. „Was war denn das?" Etwas Ungewöhnliches zog langsam an ihm vorbei. Geistesgegenwärtig schlug seine rechte Hand auf den roten Knopf, um das Band sofort zu stoppen.

Obwohl er nur ungern sein warmes Plätzchen verliess, trat er hinaus in die eiskalte Nacht, die ihm beinahe den Atem gefrieren liess! Franz erschrak fÜrchterlich, als sich das unbekannte Objekt, beim näher hinsehen, als Arm eines Menschen entpuppte, der Über dem Rand des Bandes herab hing. Vorerst getraute er sich kaum, näher zu treten, doch die Neugier trieb ihn dann doch dichter heran. Die Leiche einer spärlich bekleideten Frau lag zwischen alten Autoreifen und sonstigem Zeugs, bereit, um in den Ofen geschoben und verbrannt zu werden!

Franz, sonst ein hart gesottener Bursche, merkte wie sein Herz vor Aufregung raste. Verstört lief er zu seinem Schreibtisch zurÜck. Er konnte keinen klaren Gedanken fassen! Der geschockte SchichtfÜhrer konnte jetzt einen tÜchtigen Schluck Branntwein wirklich gut gebrauchen! Danach griff er zum Telefon, um die Polizei anzurufen.

Schon kurze Zeit später war das ganze Areal in blaue Blitzlichter getaucht und mit Beamten Übersät. Nach grÜndlichen Nachforschungen der Kriminalpolizei stellte sich heraus, dass es sich bei der Leiche um Magdalena handelte.

Einige Wochen später sass Ralph zusammen mit Pascal gemÜtlich im Wohnzimmer bei einer erlesenen Flasche Rotwein. Die beiden Freunde lachten Über die Streiche, mit denen sie frÜher die Lehrer zur Weissglut gebracht hatten! Schon damals waren sie ein eingeschworenes Team und ihre Freundschaft ging den Beiden Über alles.

Ihre Schwadronierungen wurden durch lautes Polten an der TÜre jäh unterbrochen! „Erwartest Du noch Besuch?“ wollte Pascal von seinem Freund wissen. „Nein, sei still, wir öffnen besser nicht“. Schon flog die gewaltsam eingetretene TÜre auf und das rotwangige Gesicht des Kommissars, gefolgt von zwei Uniformierten, erschien in der WohnzimmertÜre. Mit bedrohlich vorgehaltener Waffe klärte er sie Über ihre Rechte auf und sie wurden kurzerhand in Handschellen abgefÜhrt.

In ihrem Leichtsinn hatten sie einige wichtige Punkte Übersehen. Denn inzwischen wurden die Aufzeichnungen der Überwachungskameras der Zementfabrik ausgewertet, worauf das beim Beseitigen der Leiche verwendete Mietauto deutlich zu sehen war. Zudem lagen beim nächtlichen Besuch der Polizei die im Übermut verstreuten Banknoten noch auf dem Boden des Wohnzimmers herum, denn die beiden Freunde waren gerade dabei gewesen, die ausbezahlte Versicherungssumme untereinander aufzuteilen!

Wer hätte das gedacht, dass Magdalenas ursprÜnglicher Plan, ihren Mann aus der Welt zu schaffen, um dann zusammen mit ihrem Liebhaber und dem Geld aus der Lebensversicherung unterzutauchen, so ausgehen wÜrde!